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Unter dem Titel „Mensch, Klima, Wald – Chance oder Resignation?“ brach eine Gruppe Wanderer auf Einladung der Lübbecker Grünen am 6. Juni 2019 zu einem Waldspaziergang mit Picknick durch das Wiehengebirge auf. Dafür, dass der Abend zu einer Erkenntnis- und Erlebnistour wurde, sorgte der als Referent geladene Andreas Roefs, Forstmann und Waldpädagoge beim Regionalforstamt Ostwestfalen-Lippe vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW.
Das Wiehengebirge, so stellte Roefs gleich zu Beginn fest, sei eines derjenigen Wälder, das besonders stark unter negativen Bedingungen zu leiden habe. Die Versäuerung des Bodens, die steigenden Temperaturen, die Stürme und vor allem die Trockenheit des Vorjahres machten ihm zu schaffen. Viele würden die enorme Menge an Eicheln, die im Vorjahr produziert wurde, als Zeichen der Stärke missverstehen. Dabei handle es sich lediglich um „Notfruktifikation“, stellt Roefs richtig: Die Eichen wurden durch die klimatischen Bedingungen geschwächt und haben alle Kraft dareingesetzt, durch besonders üppigen Fruchtansatz für Nachwuchs und damit für ihr Überleben zu sorgen.
Auch Schädlinge machen dem Wald zu schaffen. Eschen leiden unter einem durch einen Pilz verursachten Triebsterben, Ahorn unter Rußbefall oder Eichen unter Prozessionsspinnern und Eichenwicklern. Im Wiehengebirge hat vor allem der Borkenkäfer für die massenhafte Entnahme von Fichten gesorgt. Dabei gehen Klimawandel und Schädlinge eine unheilige Allianz ein. Im Normalfall schützt sich die Fichte, indem sie den Borkenkäfer in seinen Fraßlöchern mit Harz ertränkt. Dieses Abwehrsystem funktioniert jedoch nur, wenn der Baum gesund ist. Und während Bäume unter dem Klimawandel leiden, fühlt sich der Borkenkäfer bei warmer und trockener Umgebung besonders wohl, was ihm einen weiteren Vorteil verschafft. Im Regionalforstamt OWL sind inzwischen allein drei Spezialisten für die Beobachtung und Dokumentation von befallenen Fichtenbeständen eingestellt, um gezielt Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Ein Merkmal des Wiehengebirges ist auch die Eigentumsstruktur. Nur ein geringer Prozentanteil des Waldes ist Staatswald, der Rest befindet sich in privater Hand. Privateigentümer sind zum einen Waldbauern, deren Ertrag aus dem Holz zum Lebensunterhalt beiträgt, aber auch Kleinstwaldbesitzern, die ihre sogenannte Handtuch-Parzelle vorwiegend als Brennstofflager für den Holzofen nutzen. Die nachhaltige und verantwortungsvolle Nutzung des Rohstoffes Holz ist dabei durchaus sinnvoll, denn sein ökologischer Nutzen besteht auch gerade in der Verwertung und damit Ersetzung fossiler Rohstoffe durch nachwachsende. Und der deutsche Wald reicht dafür nicht einmal aus – rund die Hälfte des gesamten Holzbedarfs in Deutschland muss importiert werden.
Wälder nachhaltig zu nutzen bedeutet, in kontinuierlichen Pflegeeingriffen über das gesamte Bestandsalter hinweg Bäume zu nutzen und nicht mehr, als auch wieder zuwächst. Zu diesem natürlichen Kreislauf gehört auch das Absterben von Bäumen, das durch die Waldnutzung jedoch meist verhindert wird. Totholz bietet Raum und Nahrung für viele Vogelarten, Fledermäuse, Insekten oder Baumpilze. So hat sich auch die Artenvielfalt dieser von der Zersetzung lebenden Tiere und Pflanzen in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert. Dabei hätten alle Kreaturen im Biotop Wald ihre Bedeutung im großen Gesamtzusammenhang betonte Roefs, außer vielleicht den Zecken. Diese, so scherzte eine Teilnehmerin, hätten wohl die Aufgabe, die Menschen aus dem Wald zu jagen, um ihm nicht weiter zu schaden.
Und jetzt? Früher habe es geheißen, der Wald wachse auch ohne den Menschen. Das stimme so leider heute nicht mehr, konstatierte Roefs. Durch verantwortungsloses Tun und Handeln der Menschheit sei ein Status erreicht, wo man aktiv gegen den Klimawandel und damit gegen den zerstörerischen Trend ansteuern muss. Hier könne jeder Einzelne seinen Teil beitragen. Für den Lebensraum Wald bedeute dies, bei der Aufforstung auf standortgerechten Mischwald zu setzen, der den Wald widerstandsfähiger mache. Zudem müsse man mehr auf Baumarten wie Esskastanie, Robinie oder Douglasie zurückgreifen, die unempfindlicher gegen Trockenheit seien. Für die Kommunen bestehe die Aufgabe darin, der Umweltbildung und Waldpädagogik mehr Raum zu geben. Sie fördere neben ökologischem Verständnis und verantwortlichem Umgang mit der Umwelt auch Bewegung und Sozialverhalten. Dadurch ein nachhaltiges Bewusstsein zu schaffen, das ist eine echte Herausforderung und eine echte Chance!