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Jan Oberhaus, Thomas Oberhaus und Kathrin Böhning lassen den Blick über die anliegenden Felder streifen. Alle Fotos: Petra Spona
Strahlendes Wetter und gackernde Hühner empfingen Bürgermeisterkandidatin Kathrin Böhning und Petra Spona und Heinrich Stenau von den Lübbecker Grünen, als sie den Biohof Oberhaus in Nettelstedt am Moor erreichten. Ihre Gastgeber*innen, das Ehepaar Thomas und Anja Oberhaus und ihr jüngster Sohn Jan, standen Rede und Antwort und zeigten den Gästen den gesamten Hof. Dieser hat seit 2006, als die Familie das damals heruntergekommene Anwesen vom Land gekauft hatte und nach Lübbecke zog, einige Veränderungen erlebt.
Die Produkte des einzigen Lübbecker Biohofs sind vielen Einwohner*innen durchaus bekannt. Wer Wert auf regionale und biologische Erzeugung legt – der Hof ist Mitglied des Erzeugerverbundes Naturland – findet Mittwoch nachmittags und Samstagsmorgens den Weg nach Nettelstedt und deckt sich hier mit Hühner- und Wachteleiern, Kartoffeln, Gemüse und Geflügelfleisch, aber auch Marmelade, Honig und Knäckebrot ein. Das Gemüse im Sommer stammt mittlerweile weitestgehend aus eigenem Anbau, lediglich im Winter wird von einem Biohof in Hille zugekauft. Und demnächst gibt es auch noch Fleisch von Anguskühen. Zwei Exemplare stehen dazu in einem großzügigen Stall hinter dem Hof, der Rest der Herde war aus Mangel an Weideflächen verkauft worden.
Die Anguskuh lässt sich gerne von Kathrin Böhning kraulen.
Am großen Stallhaus vorbei kommt man zu den Hühnerställen. Die meisten der rotbraunen Hennen verziehen sich bei großer Hitze wie am heutigen Tag gerne in die schattigen Ställe, nur einige nutzen den weitreichenden Auslauf. 270 Hühner tummeln sich hier zwischen Stall, Wintergarten und sechs Freiflächen, die wechselnd genutzt werden. Jedes einzelne legt rund 330 Eier im Jahr. Das Biofutter für die zwei unterschiedlich alten Herden kauft die Familie derzeit noch in Melle an, wohin sie auch eigenes Getreide liefert. „Wir sind aber auf dem besten Weg, das Futter für die Tiere selbst herzustellen“ erklärt Jan Oberhaus nicht ohne Stolz. Eine reine Kreislaufwirtschaft schwebt ihm für den Hof vor, den er in wenigen Jahren im Vollerwerb führen wird. Neben den Hühnern befinden sich auch 40 Enten auf einer großzügigen Wiese und 50 Wachteln, die fast täglich ein Ei legen.
Wachteln, Enten und Hühner wachsen auf dem Hof auf und liefern Geflügelfleisch und Eier.
Dass sie einmal Biolandwirtschaft betreiben würden, ahnte das Ehepaar Oberhaus vor 20 Jahren noch nicht. Thomas Oberhaus, ursprünglich Zimmermann, und seine Frau hatten zwar durch ihre Elternhäuser ein Faible für Flora und Fauna, aber sie widmeten sich lange Zeit in Melle der Pferdezucht. Als dort eine notwendige Erweiterung unmöglich war, mussten sie sich anderweitig umsehen und das Paar bewarb sich um den damals zum Verkauf stehenden alten Hof am Rand des Moors. Viel Arbeit und Geld würden sie in die Gebäude stecken müssen, das mit defekten Heizungen, Wasserschäden durch geplatzte Rohre und nicht einem einzigen ganzen Fenster in einem erbärmlichen Zustand war. Zuerst blieb es bei der Pferdezucht, allerdings sattelte Thomas Oberhaus, der bereits seit 1989 gelernter Landwirt im Nebenerwerb war, auf Landwirtschaft um. 2013 erfolgte dann die Umstellung des Hofes auf ökologische Landwirtschaft. Hühner und Rinder standen dabei im Vordergrund. Seit 2016 kam mit neuen Pachtflächen noch der Ackerbau hinzu.
Links: Kathrin Böhning und Anja Oberhaus mit einer Bio-Melone aus eigenem Anbau.
Rechts: Süßkartoffeln erfreuen sich wachsender Beliebtheit bei den Kunden des Hofladens, allerdings zuweilen auch bei den Rehen in Nettelstedt.
Hinter dem Stallgebäude fällt zuerst der im Rohbau befindliche zukünftige Schweinestall auf. Dieser soll die Angebotspalette mit ökologischer Schweinezucht erweitern. Auch der Gemüseanbau findet hier statt, den die Familie vor wenigen Jahren begonnen und stetig ausgebaut hat. Kürbisse, Süßkartoffeln, rote Beete, selbst Melonen wachsen hier, bis sie reif für den Verkauf im Hofladen sind. An Kartoffeln werden gleich fünf Sorten angebaut: die Frühkartoffel Annabelle, die Lagerkartoffelarten Tannenzapfen, die rotschalige Laura, die Belana und die blaue Anneliese. In Planung ist bereits ein Folienhaus für Tomaten und Gurken. „Dann kann man sich hier ja zukünftig im Hofladen komplett mit allen Lebensmitteln eindecken“ fasst Petra Spona die ständige Erweiterung des Hofes zusammen. „Außer Milch“ korrigiert Anja Oberhaus lachend, „die fehlt im Sortiment“.
Von links oben nach rechts unten: Die blaue Anneliese, der Tannenzapfen, die rotschalige Laura und Belana sind vier der fünf Kartoffelsorten, die auf dem Hof angebaut werden.
Mittlerweile ist der jüngste Sohn, Jan Oberhaus, mit ins Geschäft eingestiegen und auch er lebt nach dem Motto seiner Eltern, das sein Vater so auf den Punkt bringt: „Wenn man etwas macht, muss man es richtig machen!“. Während der Woche absolviert Jan Oberhaus im Kreis Kleve eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Agrarbetriebswirt, Fachrichtung ökologische Landwirtschaft. Diese Weiterbildung, aufbauend auf einer praktischen Ausbildung als Landwirt, ist gleichgestellt mit einem Bachelor-Abschluss. Auch die älteste Tochter hat Agrarbusiness studiert, lediglich die jüngste ist als Steuerberaterin ein wenig aus der Art geschlagen.
Die letzte Besichtigungsstation ist die Getreidehalle. Gerste und Weizen werden jeweils in Reinkultur geerntet und in einer hauseigenen Förder- und Trocknungsanlage aufbereitet. Hinzu kommen Gemengen, d.h. es wird Triticale mit Erbsen angebaut und geerntet und erst in der Nachbearbeitung wieder getrennt, sowie Hafer mit Ackerbohnen. Die Hülsenfrüchte fördern dabei die Entwicklung des Getreides durch ihre Stickstoffbindung. Zusätzliche Düngung ist dann bei den Gemengen nicht mehr nötig für eine reichhaltige Ernte.
In der Getreidehalle stehen Strohballen als Sitzplätze in gebührendem Abstand und Getränke bereit, um den Stand der Landwirtschaft und die Situation ökologisch wirtschaftender Betriebe noch einmal gemeinsam zu reflektieren. Kathrin Böhning ist angetan von der Experimentierfreude, dem Engagement und der Konsequenz, mit der Familie Oberhaus den lokalen und biologischen Anbau von Nahrungsmitteln betreibt. „Sie tragen einen wichtigen Teil zum Klimaschutz, zum Arten- und Naturschutz und zur gesunden Ernährung und Lebensweise bei“ erklärt Kathrin Böhning anerkennend. Gerade in Anbetracht dessen, dass der Hofladen sehr gut angenommen werde, wundere sie sich aber auch, weshalb es in Lübbecke bislang lediglich einen Hof gibt, der Biolandwirtschaft betreibt. Sie möchte daher wissen, welche Hilfestellung seitens der Kommunen gegeben werden könne. Jan Oberhaus muss nicht lange nachdenken: „Es wäre schön, wenn die Kommunen sich entscheiden könnten, ihre Ackerflächen vorzugsweise an ökologisch ausgerichtete Betriebe zu vergeben. Aber selbst, wenn man das nicht so klar festlegen will, kann man wohl erwarten, dass kommunale Flächen zumindest nur an ausgebildete landwirtschaftliche Betriebe verpachtet werden“ erklärt Jan Oberhaus. „Baumaßnahmen werden ja auch nicht an Bäckereien vergeben.“
Thomas Oberhaus treibt noch eine weitere Sache um. Er würde gerne aus vielen Wegerandstreifen Blühstreifen machen. „Dazu müsste die Stadt nur denjenigen Landwirten, die sich diese öffentlichen Flächen durch Überackerung unrechtmäßig angeeignet haben, die Streifen entziehen“ erklärt er. Solche grünen Oasen seien innerhalb vorwiegend landwirtschaftlich genutzter Gebiete äußerst relevant für Insekten und kleinere Säugetiere, ist Thomas Oberhaus überzeugt.
Zum Abschlussgespräch versammelt (v.l.): Kathrin Böhning, Anja, Thomas und Jan Oberhaus sowie Heinrich Stenau. Es fehlt im Bild: Petra Spona.
Kathrin Böhning bedankt sich im Namen der Gäste für die ausführliche Besichtigung und die Offenheit, mit der über die Probleme vor Ort gesprochen wurde und Laienfragen beantwortet wurden. Nachdenklich und mit dem Kopf voller Eindrücke verlassen die drei Besucher den Hof. Es wurde deutlich, dass nicht nur das Geld aus den Fördertöpfe Europas nach anderen, tier- und naturfreundlicheren Kriterien verteilt werden muss. Auch vor Ort muss der Landwirtschaft und ihren Erzeugungs- und Arbeitsbedingungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt und jeder Schritt in eine ökologischere Anbauweise unterstützt werden. Hierzu muss jedoch erst einmal das Bewusstsein geschaffen werden und allein damit hat man schon viel zu tun.